Harte Verhandlungen:
Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) wurde bereits durch das Referendum der britischen Bevölkerung am 23.06.2016 beschlossen. Nach mehrjährigen Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU erfolgte der offizielle Austritt aber erst am 31.01.2020. Seit 01.02.2020 gilt das Vereinigte Königreich als Drittland. Im Austrittsabkommen wird eine Übergangsfrist bis Jahresende vereinbart, um die nötigen Rahmenbedingungen des Austritts auszuarbeiten. Bis zum 21.12.2020 galt somit weiterhin das gesamte EU-Recht. Bis zuletzt stand die Befürchtung eines ungeregelten, harten Austritts im Raum. Drei Tage vor Ende der Übergangsfrist stimmten die EU-Staaten am 29.12.2020 dann doch dem aktuellen „Brexit“-Handels- und Kooperationsabkommen zu. Das Abkommen wurde am 30.12.2020 auch vom britischen Parlament abgesegnet. Die neuen Regelungen gelten nun – vorläufig – seit dem 01.01.2021. Die erforderliche rechtliche Ratifizierung durch das Europaparlament ist für den Zeitraum Februar bis April geplant.
Großbritannien hat somit endgültig den Binnenmarkt sowie die Zollunion verlassen und gilt nun als Handelspartner und nicht mehr als Mitglied der EU. Im Gegensatz zu Großbritannien hat Nordirland jedoch eine Sonderstellung, denn es verlässt zwar als Teil des Vereinigten Königreichs ebenfalls die Union, verbleibt jedoch in der Freihandelszone und genießt somit weiterhin die Zollfreiheit. Dies führt wiederum zu Zollkontrollen innerhalb des Vereinigten Königreichs zwischen Großbritannien und Nordirland.
Das beschlossene Freihandelsabkommen regelt unter anderem den Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.
Der Warenverkehr:
Die europäische Warenverkehrsfreiheit gilt nun nicht mehr für Gütertransporte von oder nach Großbritannien. Es wird die „Ursprungsregel“ (Rules of origin) für den Warenverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich eingeführt, die sicherstellt, dass all jene Güter, die in Großbritannien oder im Unionsgebiet hergestellt werden, wie bisher auch weiterhin von liberalisierten Marktzugangsregelungen profitieren können. Das Handelsabkommen erschafft somit eine neue Freihandelszone ohne Zollzahlungen oder Mengenbeschränkungen des Warenhandels zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.
Ab sofort gelten aber Ein- und Ausfuhrformalitäten zwischen den Vertragspartnern. Alle Importe in die EU müssen die in der EU geltenden Standards erfüllen. Daher werden sie behördlichen Überprüfungen und Kontrollen für Sicherheit und Gesundheit unterzogen. Beispielsweise müssen nun bei Lebensmitteltransporten Gesundheits- und Hygienechecks durchgeführt werden. Die Einhaltung solcher Zollformalitäten kann somit auch zu zeitlichen Verzögerung bei Warenlieferungen führen.
Auch die Umsatzsteuer ist nun bei Warenlieferungen zwischen den Vertragspartnern anders als bisher zu behandeln. Die Umsatzsteuerpflicht entsteht nun bereits bei Grenzübertritt bzw. Einfuhr der Waren. Die innergemeinschaftlichen Vereinfachungsregeln der Umsatzsteuerpflicht sind ab sofort nicht mehr anwendbar.
Für den Warenverkehr zwischen Unionsmitgliedstaaten mit Nordirland gelten weiterhin die Bestimmungen für den freien innergemeinschaftlichen Warenverkehr, weil Nordirland so behandelt wird, als ob es ein EU-Mitgliedstaat wäre.
Der Dienstleistungsverkehr:
Den freien Dienstleistungsverkehr gibt es zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ebenfalls nicht mehr in der gewohnten Form. Dennoch wurde auch in diesem Bereich besonderer Wert darauf gelegt, dass der Dienstleistungsverkehr möglichst reibungslos weiterlaufen kann wie bisher.
Ab 01.01.2021 haben britische Staatsangehörige auf Basis des Austrittsabkommens weiterhin unbeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, wenn sie vor 31.12.2020 ihr Aufenthaltsrecht in Österreich ausgeübt haben. Es ist aber in Österreich (gemäß § 3 Brexit-Durchführungsverordnung) ein Aufenthaltstitel „Artikel 50 EUV“ zu beantragen.
Für die Beschäftigung von britischen Staatsangehörigen im Unionsgebiet, die nach dem 31.12.2020 ihre Arbeitstätigkeit aufnehmen, gelten dieselben Regelungen wie für andere neu zuziehende Drittstaatsangehörige. Sie müssen die Bestimmungen des jeweiligen Ziellandes einhalten. Dies kann dazu führen, dass in unterschiedlichen Ländern, unterschiedliche Bedingungen einzuhalten sind.
Das Handelsabkommen erhält jedoch Erleichterungen bei der Entsendung von hochqualifiziertem Schlüsselpersonal. Für die grenzüberschreitende Erbringung von Rechtsberater-, Steuerberater-, Rechnungsleger- und Buchhalterdienstleistungen sowie Dienstleistungen von Reiseveranstaltern in Österreich können beispielsweise Entsende- oder Beschäftigungsbewilligungen mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu 6 Monaten innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten ohne Arbeitsmarktprüfung erteilt werden.
Schlüsselkräfte können außerdem unter den jeweiligen nationalen Bedingungen wie etwa in Österreich mittels Rot-Weiß-Rot-Karte als hochqualifizierte FacharbeiterInnen in Mangelberufen, UnternehmensgründerInnen oder mittels Saison-Beschäftigungsbewilligungen im Rahmen der Sonderkontingente für Tourismus-, Land- und Forstwirtschaft als Arbeitskraft zugelassen werden.
Die unionsrechtliche Berufsanerkennungsrichtlinie verliert in Großbritannien ihre Gültigkeit. Besondere fachliche Qualifikationen von Dienstleistern, wie beispielsweise eine medizinische Ausbildung zum Facharzt, werden ab sofort nicht mehr automatisch anerkannt.
UnionsbürgerInnen dürfen auch nach dem 01.01.2021 ohne Visum für eine Dauer von bis zu 6 Monaten in das Vereinigte Königreich einreisen. Für gewisse Tätigkeiten sind kurze Geschäftsreisen und Entsendungen weiterhin möglich. Beispielsweise zur Geschäftsanbahnung oder für konzerninterne Schulungen und Trainings (siehe dazu weiterführend die Immigration Rules). Für Grenzarbeiter gibt es eigene Sonderbestimmungen zu Langzeitarbeitsbewilligungen (siehe dazu Frontier Worker Permit).
Im Gegensatz zu sonstigen Drittstaaten gilt ein Diskriminierungsverbot, welches besagt, dass europäische Dienstleister im Vereinigten Königreich nicht schlechter behandelt werden dürfen als dort ansässige und umgekehrt.
Im Bereich der Dienstleistungen gibt es keine Sonderbestimmungen für Nordirland.
Der Personenverkehr:
Der freie Personenverkehr wird ebenfalls aufgehoben. EU-BürgerInnen benötigen ab 01.10.2021 einen Reisepass zur Einreise nach Großbritannien.
Der Datentransfer:
Für einen Zeitraum von 6 Monaten gibt es für die Übermittlung personenbezogener Daten eine Überbrückungsbestimmung im Handelsabkommen. In diesem Zeitraum ist das Vereinigte Königreich datenschutzrechtlich wie ein Mitgliedstaat der EU zu behandeln. Dies bedeutet, dass der Datentransfer in diesem Zeitraum keinen zusätzlichen Beschränkungen unterliegt.
Die Datenübermittlung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ist nach Ablauf dieses Übergangszeitraums wie die Datenübermittlung an einen sonstigen Drittstaat zu behandeln, es sei denn, die Europäische Kommission fasst bis dahin einen Angemessenheitsbeschluss nach Artikel 45 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Weiterführende Links:
Der vollständige Handelsvertrag:
https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/brexit_files/info_site/tca-20-12-28.pdf
Zusammenfassung der britischen Regierung:
Q&A der EU:
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/qanda_20_2532
Information des Bundeskanzleramts:
https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/brexit.html
Die österreichische Brexit-Durchführungsverordnung:
Informationen zu Reisen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich:
https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/brexit_files/travelling_de.pdf
Praxis-Informationen der WKO zum Brexit:
https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/brexit.html
Informationen für österreichische Unternehmen im Vereinigten Königreich von der WKO: