Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf Unternehmensbewertungen
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Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf Unternehmensbewertungen

Am 21. Februar 2022 hat Russland die in der Ukraine liegenden Regionen Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten anerkannt und am 24. Februar 2022 verkündet, dass die beiden Volksrepubliken Russland um Hilfe gebeten haben, weshalb eine besondere Militäroperation durchgeführt werde. Der Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine am 24. Februar 2022 ist ein Ereignis, das auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat. Seitdem zeigen sich nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen auf Russland und die Ukraine, sondern auch auf alle Staaten, die mit Russland oder der Ukraine in Wirtschaftsbeziehungen stehen – mit vermutlich langfristigen Konsequenzen für die Weltwirtschaft. Wie lange diese Krise dauern wird, ist derzeit nicht abschätzbar.

 

Die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer hat mit einem entsprechenden fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf Unternehmensbewertungen reagiert.

 

Für Bewertungsstichtage bis zum 23. Februar 2022 waren die mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine verbundenen Konsequenzen nicht erkennbar bzw. absehbar. Die damit verbundenen Auswirkungen sind daher bei Unternehmensbewertungen auf Stichtage bis zum 23. Februar 2022 aufgrund des Stichtagsprinzips nicht zu berücksichtigen.

 

Für Bewertungsstichtage nach dem 23. Februar 2022 gilt grundsätzlich, dass die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zu berücksichtigen sind. Neben gesamtwirtschaftlichen bzw. globalen Auswirkungen ist zu beurteilen, inwieweit länderspezifische und einzelfallspezifische Auswirkungen zu erwarten sind.

 

Finanzielle Überschüsse
Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sind nach Maßgabe des Stichtagsprinzips bei der Planung der finanziellen Überschüsse zu berücksichtigen. Dabei kann grundsätzlich zwischen unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen unterschieden werden.

 

Unmittelbare Auswirkungen können sich daraus ergeben, dass das zu bewertende Unternehmen über direkte Investitionen in Form von Beteiligungen oder Betriebsstätten in der Ukraine oder in Russland verfügt oder sich wesentliche Teile der Beschaffungs- oder der Absatzmärkte in den betroffenen Regionen befinden. Die unmittelbaren Auswirkungen können sich u.a. in Ausfällen in Absatz und Produktion, Zahlungsausfällen bei Forderungen oder der Vernichtung von Vermögenswerten niederschlagen.

 

Mittelbare Auswirkungen auf das zu bewertende Unternehmen können sich etwa aus einem Anstieg von Rohstoff- oder Energiepreisen, Engpässen in der Beschaffung aufgrund einer Beeinträchtigung von Lieferketten, Inflationswirkungen sowie Zins- und Wechselkursentwicklungen ergeben.

 

Für bestimmte Branchen können sich spezifische Auswirkungen auf die mittel- und langfristige Planung ergeben. Dies betrifft insbesondere energie- oder rohstoffintensive Produktionsbetriebe und Unternehmen, die in der Strom- und Gasversorgung tätig sind.

 

Bei der Beurteilung der langfristigen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs ist für das Geschäftsmodell des zu bewertenden Unternehmens zu analysieren, inwieweit Veränderungen der Beschaffungs- und Absatzmärkte zu erwarten sind.

 

Die Berücksichtigung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Ukraine Kriegs auf das zu bewertende Unternehmen ist in der Regel mit einer erheblichen Erhöhung der Planungsunsicherheit verbunden. Dieser erhöhten Unsicherheit sollte im Sinne von KFS/BW 1 Rz (66) durch die Ableitung von Erwartungswerten für die finanziellen Überschüsse aus Szenarien, denen Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeordnet werden, begegnet werden.

 

Kapitalkosten
Im Rahmen der Ermittlung der Kapitalkosten ist zu beurteilen, inwieweit sich die aufgrund des Ukraine-Kriegs erhöhte Unsicherheit zum Bewertungsstichtag auch in erhöhten Renditeforderungen von Eigen- und Fremdkapitalgebern niedergeschlagen hat.

 

Quelle: Fachliche Hinweise der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Unternehmensbewertungen (beschlossen vom Präsidium der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer am 20. April 2022).